Zwei Polizisten auf einem Wasserscooter auf Jeju, Südkorea

Jeju, das Hawaii Südkoreas

Nicht-reif für die Insel – Eine Reiseanekdote von Bernadette Olderdissen

Nach zwei Monaten harter Arbeit in Seoul habe ich mich so auf ein wenig Entspannung auf der südkoreanischen Insel Jeju gefreut, doch für diese Insel bin ich anscheinend noch nicht ganz reif: Ich stehe vor den jungen Empfangsmitarbeitern meiner kleinen Pension in Jeju-si, der Inselhauptstadt, und muss ihnen erklären, dass meine Toilette schon an diesem ersten Morgen hoffnungslos verstopft ist. Auf meine Verkündigung in Englisch weiten sich die Augen der beiden, ihre Lippen formen sich zu einem langgezogenen „Ooooooh“ und sie sehen sich verständnislos an. Aber so schnell gebe ich nicht auf! Auch wenn sich mein koreanischer Wortschatz auf ‚annyeong haseyo‘, hallo, und ‚gamsa hamnida‘, danke, beschränkt, fühle ich mich als Fortgeschrittene in koreanischer Gestik. Wissend hebe ich daher beide Arme vor die Brust und überkreuze sie, eine Geste für ‚nein‘, ‚kein‘ oder ‚nicht‘, die mir die Seouler beigebracht haben.

Mann macht Kopfstand auf dem Gras auf der Insel Jeju. Südkorea

Auf Jeju-do steht so mancher Kopf.

Zufrieden sehe ich, wie sich zwei Paar Augenbrauen in die Höhe ziehen, halte die Arme überkreuzt und lasse mein Hinterteil langsam hinab in Sitzposition, bevor ich unmissverständlich eine Pressbewegung imitiere und geräuschmäßig unterstütze. Sekundenlang starren mich die beiden Männer an, bevor sie in das lauteste Lachen ausbrechen, das ich jemals aus einer koreanischen Kehle gehört habe, und sich daraufhin schnell die Hand vor den Mund halten. Das darf doch nicht wahr sein! Was ist so lustig daran, dass meine Toilette offensichtlich kaputt ist? Ich habe Glück und ein Gast spaziert herein, der sowohl des Englischen als auch des Koreanischen mächtig ist. Schnell übersetzt er mein Anliegen und lacht selbst laut auf, als ihm die Angestellten etwas in Koreanisch entgegenschnattern. „Die beiden dachten, du hättest ein Problem mit Verstopfung!“

Auf diese Blamage brauche ich erstmal ein paar Stunden Erholung am Strand. Am Busbahnhof der Hauptstadt stehen zwei Busse abfahrbereit – einer sollte von rechts rund um die Insel fahren, der andere von links. Ich glaube den entziffert zu haben, der nach rechts fährt, lasse mich stolz in einen weichen Sitz fallen. Der Bus fährt nach links. Nun gut, ans Meer komme ich ohnehin. Nach einer halben Stunde sehe ich Strand und deute dem Fahrer mit wilden Schreien, dass ich raus will. ‚Hyeopjae‘ erkenne ich auf einem Schild den Namen des Strandes und werde hibbelig vor Freude. Die Wellen liebkosen den weißen Sand, das türkise Meer verspricht wohlige Abkühlung und wie aus einer Reisebroschüre entsprungenes Urlaubsfeeling. Schnell streife ich meine Kleider ab und eile im Bikini zum Wasser. Im seichten Nass stehen Einheimische, bekleidet mit Shorts und T-Shirt, teilweise sogar in Jeans und Jacke. Mit ihren Blicken verfolgen sie meine Schritte, fahren jedoch sogleich fort, mitgebrachtes Strandspielzeug aufzublasen: bunte Gummiringe in der Größe von Lkw-Reifen, mit denen Kinder und Erwachsene in Ufernähe planschen.

Alle baden mit ihrer Kleidung im Meer auf Jeju, Südkorea

In Südkorea ist baden mit Kleidung normal.

Nach einigen Metern reicht mir das Wasser noch immer bis knapp ans Knie. Ich staune über eine Plastikschnur, wie sie zur Trennung von Schwimmbadbahnen benutzt wird, die sich mitten durchs Meer zieht. Natürlich, bis hier wird wohl der Bereich für Kinder und Nichtschwimmer gehen! Ich springe kurzerhand über das Seil, um in tieferen Gefilden endlich schwimmen zu können. Ich bringe es zu genau vier Armzügen, bevor ein Jetski aus dem Nichts heranschießt, direkt auf mich zu. Zwei komplett in Schwarz gekleidete Gestalten mit Gesichtsmasken und Hüten fuchteln und schreien auf Koreanisch auf mich ein. Mir wird trotz der Badewannentemperatur des Wassers eiskalt.

Panisch sprinte ich zurück zum Strand, begleitet vom Kichern hinter vorgehaltenen Händen der umstehenden Erwachsenen und Kinder. Sollen sie doch lachen! Ich lasse mich auf mein Handtuch fallen und schließe die Augen. Wenn man hier schon nicht baden darf, genieße ich wenigstens die Sonne. „Entschuldigung“, tönt es plötzlich von rechts auf Englisch mit stark koreanischem Akzent. „Dürften wir vielleicht ein paar Fotos von dir machen?“ Mehrere hoffnungsvolle Männergesichter glotzen auf meinen nackten Bauch. Ihre Digitalkameras haben sie bereits im Anschlag. Ich stöhne auf. Was habe ich jetzt schon wieder falsch gemacht? „Bitte“, insistiert einer der nicht schlecht aussehenden jungen Männer und hält mir seine Visitenkarte entgegen. „Ich schicke dir auch die Fotos, wenn du mir eine E-Mail schickst. Wir sehen hier selten so schöne Frauen in Bikinis am Strand.“ Tatsächlich schlüpfen selbst die Koreanerinnen, die in Shorts an den Strand kommen, sofort in Jeans und Jacken, bevor sie sich unter riesigen Sonnenschirmen verkriechen oder am Meeresrand plantschen – Braunsein ist den Straßenarbeitern vorbehalten, wie ich schon in Seoul erfahren habe.

„Na gut!“ Die Männer strahlen und plötzlich bin ich im Blitzlichtgewitter wie ein Hollywood-Star, während ich mich auf meinem Strandtuch räkele. Vom Mut des ersten Fotografen anagezogen, kommen immer mehr Männer mit ihren Kameras hervor. Heute werde ich in vielen koreanischen Fotoalben kleben – ich auf meinem Strandtuch, lesend, mich mit Sonnencreme einschmierend oder ganz einfach lachend, genau wie die Fotografen und ihre Familien, die die komische Besucherin aus einer fremden Welt genauso merkwürdig finden wie ich sie.

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